TOO MUCH FUTURE.

Schenkung FLORIAN PETERS-MESSER


29. August 2024 – 5. Januar 2025


Erstmals präsentiert der Kunstpalast eine Auswahl der mehr als 300 Werke umfassenden Schenkung von Florian Peters-Messer an das Museum. Die in 30 Jahren Sammeltätigkeit zusammengetragenen Arbeiten – darunter bekannte Positionen der internationalen Gegenwartskunst wie Kader Attia, Andrea Bowers, Sophie Calle und Thomas Hirschhorn sowie Werke junger Künstler*innen von Harry Hachmeister über Henrike Naumann zu Sophia Süßmilch – greifen die Umbrüche unserer Zeit kritisch auf.

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Florian Peters-Messers Augenmerk lag von Anfang an auf gesellschaftspolitischen Arbeiten. Neben drängenden sozialen Herausforderungen wie Klimawandel, Flucht, Krieg oder dem Erstarken von Extremismus stehen die Themen Gender, Sex und Identität im Vordergrund seiner Sammlung. Diese Schwerpunkte spiegeln sich in der Ausstellung wider, die in drei monografische und fünf thematische Räume unterteilt ist. Zu den etwa 90 ausgestellten Werken gehören raumgreifende Installationen wie auch Malerei, Zeichnung, Fotografie und Videokunst. Gemeinsam ist ihnen eine Dringlichkeit – die Arbeiten stellen Fragen und rütteln wach, mal mit provokanter Geste, mal durch Nachdenklichkeit.

„Die Sammlung von Florian Peters-Messer stellt eine wunderbare und ausgesprochen wichtige Ergänzung für den Kunstpalast dar. Ich bin überaus dankbar, dass uns diese anvertraut wurde! Es sind irritierende, aufwühlende und herausfordernde Arbeiten, die durch Peters-Messers Schenkung in unsere Bestände gelangt sind. Wir schließen durch diese Sammlung eine Lücke. Mit Blick auf die gesellschaftlichen Entwicklungen halte ich es für besonders wichtig, dass wir auch im Anschluss an die Ausstellung Too Much Future durch dieses Konvolut noch pointierter aktuelle Themen reflektieren können“, zeigt sich Felix Krämer, Generaldirektor Kunstpalast, erfreut.

Von Beginn an war es dem Viersener ein Anliegen, seine Sammlung einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. „Kunst ist dazu da, gezeigt zu werden, um andere Sichtweisen auf die Welt zu ermöglichen und Denkräume zu öffnen“, so Peters-Messer.
„Alle in der Ausstellung versammelten Positionen begreifen Kunst als politischen Raum. Es sind Künstler*innen, die für Solidarität, Empathie und Humanismus plädieren, die Ungerechtigkeiten in unserer Gesellschaft aufzeigen, sie analysieren oder ironisch brechen“, erläutert Linda Peitz, Expertin für die Sammlung Peters-Messer. Bereits 2020 kuratierte sie am Kunstpalast in Kooperation mit dem Sammler die Ausstellung Empört Euch!

Felicity Korn, Leiterin der Sammlung Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts und Co-Kuratorin von Too Much Future, betont die Vielschichtigkeit der gezeigten Arbeiten: „Florian Peters-Messers Interesse gilt Werken, die mit unseren Sehgewohnheiten brechen und das Verständnis von Kunst grundlegend hinterfragen. Dank der Schenkung wird unsere Sammlung der Gegenwartskunst wesentlich um kritische, politische Positionen erweitert und nach vorne gebracht. Von einem so wichtigen Künstler wie Thomas Hirschhorn besitzen wir nun einen Bestand, der sowohl im Umfang als auch in seiner Qualität einzigartig ist.“
 
Letzterem widmet die Schau einen von drei monografischen Räumen. Der Schweizer Thomas Hirschhorn versteht seine Arbeiten als Aufruf zu Veränderungen und Umbruch. Mit seinen komplexen, oft brutal wirkenden Werken fordert er die Betrachtenden auf, sich zu informieren, Stellung zu beziehen oder gar sich zu widersetzen. Der Künstler verwendet oftmals einfache Materialien wie Fotografien aus Zeitungen, philosophische Texte und Alltagsgegenstände, mit denen er eine Fülle an komplexen Inhalten in Beziehung setzt. So thematisiert das Werk Arch (Growing Assertiveness) den Wahrheitsanspruch journalistischer Berichterstattung. Ein Triumphbogen, der einer Pinnwand gleicht, die übersät ist von Schlagwörtern, Kommentaren, Meinungen und erschreckender Fotos von Kriegsopfern. Die Botschaften auf Holzplatten und Aufklebern erinnern an Schlagzeilen aus der Presse, die ambivalent zwischen „News“ und „Fake News“ schwanken. Die Begegnung mit den kritischen und politischen Werken von Thomas Hirschhorn war für Florian Peters-Messer ein Schlüssel zu Beginn seiner Sammlertätigkeit.

Zu den Künstler*innen der ersten Stunde zählt auch der Niederländer Erik van Lieshout, dem die Ausstellung ebenfalls einen eigenen Raum widmet. Seine multimedialen Werke gehen an die Grenzen persönlicher, gesellschaftlicher und sozialer Tabus. Für seine Filme, die zwischen Dokumentation und Fiktion changieren, begibt er sich in Randbereiche der Gesellschaft und wird ein Teil davon. Der Film Happiness und die parallel gezeigten Zeichnungen sind das Ergebnis eines Aufenthalts im niederländischen Heimerstein. Dort folgte er einer Einladung, mit den Bewohner*innen einer psychiatrischen Einrichtung zu arbeiten. Die Kombination von voyeuristischer und exhibitionistischer Direktheit in van Lieshouts Filmen schockiert und berührt gleichzeitig.

Die Schnittstellen zwischen Privatheit und Öffentlichkeit sowie zwischen Realität und Fiktion sind ebenfalls Gegenstand der Arbeiten der französischen Konzeptkünstlerin Sophie Calle. Die Zusammenstellung von Fotografien, Text und Installation schafft komplexe Erzählstrukturen, die persönliche Geschichten mit übergeordneten Themen wie Liebe, Leben und Tod verknüpfen. Das Prinzip der Text-Foto-Geschichten eröffnet sich in der Werkreihe Prenez soin de vous von 2004, aus der zwei Arbeiten in der Ausstellung zu sehen sind. Sophie Calle verwandelt die Trennungsmail ihres damaligen Partners in eine konzeptuelle Serie. Dafür lässt sie den Text unter anderem in Blindenschrift und Stenografie übersetzen. Calles Werke regen dazu an, über Beobachtung, Identität und Erinnerung nachzudenken.

Neben den drei monographischen Räumen gliedert sich die Ausstellung in fünf thematische Säle. Politische Kunst nimmt in der Sammlung Peters-Messer eine zentrale Rolle ein. Unter dem Titel Kunst als Protest versammelt die Schau Arbeiten von Künstler*innen wie Andrea Bowers, Šejla Kamerić, Henrike Naumann und Nicholas Warburg, die in ihren Werken Fragen zu Macht, Ohnmacht, Ungleichheit und sozialer Gerechtigkeit stellen. Für zahlreiche Künstler*innen, die in der Sammlung vertreten sind, sind politisches Engagement und künstlerische Arbeit nicht zu trennen. Sie verbinden ästhetische Praxis mit zivilem Widerstand, Formen gewaltlosen Protests oder politischem Aktivismus. Der in Frankreich geborene Künstler Kader Attia beschäftigt sich als Sohn algerischer Eltern mit den komplexen Zusammenhängen und Auswirkungen des Kolonialismus. Die Fotografie Parabolic Self Poetry von 2015 beleuchtet die Zusammenhänge zwischen moderner Architektur, Postkolonialismus, medialer Vernetzung und kultureller Identität.

Der Ausstellungstitel Too Much Future ist angelehnt an ein Werk der Künstlerin Rebekka Benzenberg, das patriarchale und soziale Machtstrukturen hinterfragt. In dieser Arbeit greift die Künstlerin einen Slogan auf, mit dem zuvor die Punkszene der DDR gegen das Regime und gegen vorbestimmte Lebensentwürfe protestierte. Zugleich verhandelt der Spruch elementare Fragen unserer heutigen Gesellschaft. Auf einer Reihe von Pelzmänteln hat die Künstlerin mit Bleichmittel – das gleichzeitig dem Blondieren von Haaren dient- die Worte auf das prestigeträchtige Material aufgebracht. Subversiv verhandeln die gebleichten Pelzmäntel Symbole kapitalistischer Schönheitsideale. Die Auswirkungen des kapitalistischen Wirtschaftssystems auf das soziale Gesellschaftsgefüge sind weitere Kernthemen der Sammlung. Neben Rebekka Benzenberg beschäftigen sich Künstler*innen wie Peggy Buth, Iris Kettner oder Sven Johne in ihren Werken mit sozialer Ungleichheit, der Darstellung von Macht und Exklusivität sowie von Armut und sozialem Elend. Im Raum Zusammenhalt vs. Ausgrenzung werden Arbeiten präsentiert, die das Publikum mit Fragen zur gemeinsamen Zukunft und zur eigenen Verantwortung konfrontieren.

Mit sexueller Orientierung und Körperlichkeit, Selbstwahrnehmung und Fremdzuschreibungen, beschäftigen sich Künstler*innen wie Harry Hachmeister, Murat Önen oder Sonja Yakovleva, die das Kapitel Ich und die Anderen versammelt. Vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Vorstellungen beleuchten die Arbeiten Aspekte von Identität. Seit seinem Studium befasst sich Harry Hachmeister (bis 2019 Grit Hachmeister) in seinen künstlerischen Werken mit dem eigenen Körper sowie den inneren und äußeren Bedingungen von sexueller Identität. Sein Selbstporträt von 2007 zeigt ihn als Boxer mit Torwarthandschuhen, Fußballschuhen, Kniestrümpfen und Shorts. Er entlarvt spielerisch Vorstellungen von Männlichkeitsbildern und Rollenklischees.

Die Ausstellung zeigt zu dem Thema Originalität und Obsession Künstler*innen wie John Bock, Bjarne Melgaard, Jaanus Samma und Sophie Süßmilch, die sich kritisch mit gesellschaftlichen Normen auseinandersetzen und das Individuum mit seinen intimen Fantasien und Ängsten in den Vordergrund stellen. Der estnische Künstler Jaanus Samma geht in seiner Installation Flaminio Station der Geschichte schwuler Cruising-Orte in Rom nach. Er verortet queere Wahrnehmung und Verlangen in scheinbar heteronormativen, oft öffentlichen Räumen. Sophia Süßmilch hingegen beschäftigt sich in ihrer Arbeit Der romantische Schinkencowboy auf humorvolle und politisch unkorrekte Weise mit den patriarchalischen Strukturen in unserer Gesellschaft und in der Kulturindustrie.

Formal radikal: Mit der formalreduzierten und zugleich radikalen Ästhetik von Kunst und dem Hinterfragen des gängigen Kunstverständnisses beschäftigt sich ein weiterer Raum in der Ausstellung. Wie kann man die Rezeptionsgewohnheiten unterwandern? Welche Wirkung entsteht bei bewusst rohen und unfertigen Werken? Die Arbeiten der hier gezeigten Künstler*innen wie Sabine Hornig, Kris Lemsalu, Vivian Sauter und Hiroshi Sugito sensibilisieren für eine formal offene Werksprache und fordern die Betrachtenden auf ästhetische Weise heraus.
 
Die Ausstellung wird kuratiert von Felicity Korn, Sammlungsleitung 20. und 21. Jahrhundert, am Kunstpalast und Linda Peitz, freie Kuratorin aus Berlin.

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